Schlagwort: Hans-Hendrik Grimmling

BILDGEDANKEN | SEPTEMBER 2024

„Wunde vom Schritt“ von Hans-Hendrik Grimmling

„Wunde vom Schritt“, Öl auf Leinwand, 1983, 160 x 110 cm

„Seit den 1980er Jahren drängelte sich sehr auffällig die Farbe Rot in meine Bildgedanken (wie in der „Wunde vom Schritt“).
Meine sehr expressiv gewordene Formensprache brauchte entsprechend aggressive, signalhafte Farbigkeit.
Das Rot sollte das adaptiv Figurative symbolhafter und gleichnishafter, also „inhaltlicher“ aufladen.
Ich meinte das Körperliche als das Verletzbare … als das Gefährdete … als das Bedrängte …
auch durch die Inhaftierung des Bildes im Bild … sozusagen das Bildformat, der Bildraum selbst als Einengung … als das Eingezwängtsein.
Sicher bezog ich das auf meine Situation in Leipzig, in der damaligen DDR: Ich hatte in dieser Zeit zum achten Mal einen „Negativbescheid“ auf einen Reiseantrag (durch Einladungen) ins „nichtsozialistische“ Ausland erhalten, mit betont „unabänderlicher“ Perspektive …
Zwei Ausstellungen (in Halle und Merseburg mit O. Wegewitz) waren am Eröffnungstag von „staatlicher Behörde“ geschlossen worden …
So konnte das symbolhafte Rot auch durchaus das propagandistisch vernutzte Rot einer allgegenwärtigen Einparteiensprache assoziieren.
Ich probierte meinen Bildern aber auch eine verallgemeinerbarere Deutbarkeit einzuschreiben … eben auch die „zeitfreiere“ Beschreibung einer Inhaftierung in die eigene Unzulänglichkeit und Verletzlichkeit … und das Bild, die Malerei selbst als immerwährender Versuch von „Befreiung“.
Nach dem „Ruderer“ (ein Triptychon: das hochformatige Mittelteil ein hockender, roter Körper, kraftvoll aus dem Bild rudernd, die querformatigen Seitenteile weiße Mauerstücke, darauf rote Körper, links „fliehend“, rechts „aufgebahrt“) … entstanden die Hauptstücke meiner Kollektion zum „1.Leipziger Herbstsalon“ … vor allem mit signalhaftem, provozierendem Rot gearbeitet und geformt.
Und vor dem “Ruderer“ 1983 (Privatsammlung Berlin/Lahr) und der „Wunde vom Schritt“ entstanden mit gleicher Rot-Fokussierung die wichtigen Bilder: „Großer Einlauf der kleinen Flügler“, 1980 (Sammlung J. Kister), „Schuld der Mitte“ I, 1981 (Lindenau Museum Altenburg), „Schuld der Mitte“ II, 1981 (Sammlung der Sparkasse Leipzig), „Schuld der Mitte“ III, 1982 (Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst Cottbus).“

Hans-Hendrik Grimmling, Berlin, September 2024


BILDGEDANKEN | AUGUST 2024

Pierrot“ von Hans-Hendrik Grimmling

„Pierrot“, Öl auf Hartfaser, 1972, 70 x 50 cm

„Diese Arbeit zählt mit zu den ältesten Werken, die für diese Kollektion mit ausgewählt wurde.
Das Bild ist also ziemlich „weit hinten“ in meinen Erinnerungen gespeichert. Es sind wunderbar aufregende Gedanken an immer noch gefühlte Anfänge, an Reibungen und ersten Auseinandersetzungen …
denn ich war zu der Zeit noch Student (im 3. Studienjahr) an der Leipziger HGB, in der Fachklasse für Freie Malerei bei Wolfgang Mattheuer. Ich wohnte mit meiner ersten Familie im nahegelegenen, dörflichen Vorort Gaschwitz.
In der winzigen Dachwohnung des sogenannten Gesindetraktes eines verfallenen Rittergutes arbeitete ich allabendlich, wenn das Kind schon schlief, auf kleinen, transportablen Pappen und Papieren.
Es waren die täglichen „Mitbringsel“ zum nächsten Unterrichtstag ins Studio unserer fünfköpfigen Studiengruppe, es waren Bildnotizen meiner vermeintlich poetischen Dorfidylle.
Da an der HGB die Orientierung und Ausbildung sich an der „figurativen“ Darstellung ausrichtete, die durchaus eine frühe „Anverwandlung“ an einen „sozialistischen Realismus“ zum Ziele hatte, bedeuteten meine „Privatbilder“ eher den Versuch einer Art „Gegenprogramm“.
Der Pierrot galt für mich als Möglichkeit einer „Kostümierung“, in koketter, verrenkender Pose, als Selbstbildnis, abgewandt vom eigentlichen porträtähnlichen Spiegelbild … und sicher sich (anmaßend) in die Nähe eines verehrten Großen (Max Beckmann) manövrierend.“

Grimmling, August 2024


BILDGEDANKEN | JULI 2024

„Flugbein“ von Hans-Hendrik Grimmling

„Flugbein“, Acryl auf Leinwand, um 1988, 170 x 135 cm

„Diese Arbeit ist im Frühjahr in West-Berlin entstanden …. knapp zwei Jahre nach der Ausreise aus der DDR. Nach mehreren Monaten in Untermiete für Wohnen und Arbeiten konnte ich mit Frau und Kind eine Dreizimmerwohnung mieten, und es wurde der größte Raum als Atelier umfunktioniert. Hier entstanden endlich erste malerische und zeichnerische Großformate, die das neue „Dasein“ zu fassen versuchten. Es waren Ableitungen der ewig grüblerischen Gedanken um den Begriff „Freiheit“ und es zeigten sich der Vogel, der Flügel … das Fliegen als immer noch brauchbare Metaphern. Es entwickelte sich eine Bilderreihe, mit vielleicht hoffnungsvollem Blau, aber wie in einer Fortsetzung der Zyklen und Serien eher in schreiendem Rot, die ich Leipzig beendet hatte und diese scheinbar auch als verlassen betrachtete. „Der Käfig ist offen“ und „Vögel über Berlin“ I, II, III, oder „Kaltes Herz“ I, II, und „Überfahrt“ waren kennzeichnende Titelführungen von diesem Neubeginn. Das „Flugbein“ steht störrig senkrecht, beschreibt ein fast erstarrtes Unterwegssein …. auf einem Flügel, der im dunkelblauen Gegenlicht brennend leuchtet …. und das fortwährende Wegwollen signalisiert – die Frage nach dem Gelingen des Sichbefreiens. Es ist die ewige Sehnsucht nach Bewegung und das erahnte Scheitern an ihr.“

Hans-Hendrik Grimmling


BILDGEDANKEN | JUNI 2024

„drinnen-draußen“ von Hans-Hendrik Grimmling

„drinnen-draußen“, Acryl auf Leinwand, 2022, 250 x 180 cm

„In größeren Abständen, doch immer wiederkehrend, öfters in der Zeit jeweiliger Jahresanfänge, entstehen sich vergleichende Versuche einer Art „Darstellung von Gewachsenem“. Diese floralen Bildfindungen bemühen sich um keine Pflanzenbestimmung, sie konstruieren eher Gebilde und Gestalten von erfundenen Gewächsen, von meist grünem Gestrüpp. In diesem Bild recken sich diese Gewüchse kraftvoll senkrecht in einem roten Draussen, ganz nah an ein durch ockergelbe Vorhänge an den Bildseiten gekennzeichnetes Drinnen. Fast bedrohlich nahgerückt, nach dem Innen drängend, wirken diese starr aufgereckten Strünke mit ihren aufgepfropften Blütenköpfen wie Eindringlinge. Es ist ein Gegenüber von vermutbarem Behütetsein im Drinnen und dem Bedrohlichen durch das nahgerückte Draussen, eine Metapher für Unausweichlichkeit und Konfrontation.“

Hans-Hendrik Grimmling


VERNISSAGE | HANS-HENDRIK GRIMMLING

Wir bedanken uns herzlich bei allen Gästen für die gelungenene Eröffnung am 3. Mai 2024.

Die Tänzer des Balletts Chemnitz sorgen für die künstlerische Untermalung – unter der Leitung von Sabrina Sadowska.
Die Laudatio hielt Bernd Weise (Galerie Weise in Chemnitz).

Das Video zur Vernissage sehen Sie auf dem Kanal „Der Käfig ist offen“ von Hans-Hendrik Grimmling auf youtube.

Ein besonderer Dank geht an:

Hans-Hendrik Grimmling

Sabrina Sadowska

Bernd Weise

Soo-Mi Oh

Alejandro Guindo Martin

MUGLER SE


DER GORDISCHE KNOTEN – BILDNOTIZEN AUS FÜNF JAHRZEHNTEN

Die Ausstellung des Künstlers Hans-Hendrik Grimmling können Sie gern mit Freunden, Bekannten oder der Familie nach Voranmeldung besuchen.

Schreiben Sie eine E-Mail an marion.ludwig@artig-online.de oder rufen Sie an: 0172 7649723.

Adresse: Villa Richter, Stollberger Straße 13, 09355 Gersdorf.

(Titelbild: Der Gordische V, Acryl und Pigment auf Leinwand, 1993, 145 x 305 cm)

Argonaut I , Acryl auf Leinwand, 2021, 140 x 180 cm

So finden Sie uns:

Parkplätze stehen im Gelände sowie an der Stollberger Straße zur Verfügung (Zufahrt Penny-Parkfläche MUGLER SE).

DER KÄFIG IST OFFEN!

Am 26. April 2022 fand die Vernissage der Ausstellung des Künstlers Hans-Hendrik Grimmling in der Hochschule Mittweida statt.

Sie sind herzlich eingeladen, die Ausstellung bis 25. Juni 2023 zu besuchen.

Wo? Hochschule Mittweida, Studio B – Grunert de Jàcome – Bau – Haus 6, Am Schwanenteich 4b, 09648 Mittweida

Wir danken herzlich den Teilnehmern der Podiumsdiskussion zum Thema Kunstfreiheit:

  • Hans-Hendrik Grimmling, Künstler
  • Prof. Dr. Christoph Meyer, Professor für Bildung und Kultur in der Sozialen Arbeit der Hochschule Mittweida
  • Steffen Pruggmayer, Rechtsanwalt der Kanzlei „Petersen Hardraht Pruggmayer“ in Chemnitz, Dresden und Leipzig
  • Mathias Lindner, Direktor der Neuen Sächsischen Galerie Chemnitz

Wir danken außerdem herzlich der Hochschule Mittweida für die gute Zusammenarbeit.