„Wunde vom Schritt“ von Hans-Hendrik Grimmling
„Seit den 1980er Jahren drängelte sich sehr auffällig die Farbe Rot in meine Bildgedanken (wie in der „Wunde vom Schritt“).
Meine sehr expressiv gewordene Formensprache brauchte entsprechend aggressive, signalhafte Farbigkeit.
Das Rot sollte das adaptiv Figurative symbolhafter und gleichnishafter, also „inhaltlicher“ aufladen.
Ich meinte das Körperliche als das Verletzbare … als das Gefährdete … als das Bedrängte …
auch durch die Inhaftierung des Bildes im Bild … sozusagen das Bildformat, der Bildraum selbst als Einengung … als das Eingezwängtsein.
Sicher bezog ich das auf meine Situation in Leipzig, in der damaligen DDR: Ich hatte in dieser Zeit zum achten Mal einen „Negativbescheid“ auf einen Reiseantrag (durch Einladungen) ins „nichtsozialistische“ Ausland erhalten, mit betont „unabänderlicher“ Perspektive …
Zwei Ausstellungen (in Halle und Merseburg mit O. Wegewitz) waren am Eröffnungstag von „staatlicher Behörde“ geschlossen worden …
So konnte das symbolhafte Rot auch durchaus das propagandistisch vernutzte Rot einer allgegenwärtigen Einparteiensprache assoziieren.
Ich probierte meinen Bildern aber auch eine verallgemeinerbarere Deutbarkeit einzuschreiben … eben auch die „zeitfreiere“ Beschreibung einer Inhaftierung in die eigene Unzulänglichkeit und Verletzlichkeit … und das Bild, die Malerei selbst als immerwährender Versuch von „Befreiung“.
Nach dem „Ruderer“ (ein Triptychon: das hochformatige Mittelteil ein hockender, roter Körper, kraftvoll aus dem Bild rudernd, die querformatigen Seitenteile weiße Mauerstücke, darauf rote Körper, links „fliehend“, rechts „aufgebahrt“) … entstanden die Hauptstücke meiner Kollektion zum „1.Leipziger Herbstsalon“ … vor allem mit signalhaftem, provozierendem Rot gearbeitet und geformt.
Und vor dem “Ruderer“ 1983 (Privatsammlung Berlin/Lahr) und der „Wunde vom Schritt“ entstanden mit gleicher Rot-Fokussierung die wichtigen Bilder: „Großer Einlauf der kleinen Flügler“, 1980 (Sammlung J. Kister), „Schuld der Mitte“ I, 1981 (Lindenau Museum Altenburg), „Schuld der Mitte“ II, 1981 (Sammlung der Sparkasse Leipzig), „Schuld der Mitte“ III, 1982 (Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst Cottbus).“
Hans-Hendrik Grimmling, Berlin, September 2024